Monday, August 1, 2011

Über die sogenannte Demokratie


Es ist einfacher zu sagen, was Demokratie nicht ist, als was sie wirklich ist.

Die Tatsache, dass für manche der Krieg eine Methode ist, die Demokratie zu verbreiten, zeigt, dass dieses Denksystem kein universelles System oder gar eine universelle Lösung ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass, historisch betrachtet, die Demokratie ein System ist, das von der Bourgeoisie entwickelt wurde. Somit hat dieses System auch alle Grenzen, die deren kaufmännische Mentalität erzwungen hat. Deswegen theoretisieren manche Intellektuelle über eine sogenannte „Postdemokratie“.

Massimo Finis Buch „Gegen die(se) Demokratie. Ein offener Brief an die Untertanen“ (Zambon Verlag, 2006) kann auch dieser Strömung zugerechnet werden. Das, was wir in unserer Gesellschaft erleben, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit lediglich der Geist der Demokratie, somit ist es ein unbefriedigendes Modell. Wie glaubwürdig kann ein sogenanntes demokratisches System sein, das gegen eine Diktatur kämpft und seine Kampfjets von Stützpunkten starten lässt, die in einem anderen diktatorischen Staat liegen? Wie glaubwürdig ist das Geschwätz von Freiheit und Gleichberechtigung in Ländern, in denen die Schwachen und Armen nicht zählen, solange sie nicht auf sich selbst zählen?

Welcher Politiker denkt ernsthaft an diese Leute, nur aufgrund von Moral und gesundem Menschenverständnis, mens rea? Nicht weil sie Wähler sind, sondern weil sie Menschen sind?

Die Demokratie ist wie die Vernunft: beide können hervorragende Instrumente sein, aber auch ungeheure Waffen. Trotzdem gilt immer noch die Frage, ob eine kapitalistische Gesellschaft eine ernsthafte Demokratie sein kann. Ob es in den Modellen einer solchen Gesellschaft Raum gibt für etwas anderes als die reine Machtausübung?

Denken wir jetzt an ein gewöhnliches Unternehmen, in dem einige Mitarbeiter von ihren Vorgesetzen schlecht behandelt wurden (Bossing). Welche Stellung werden 99% der anderen Manager einnehmen? Werden sie nur aufgrund der Ungerechtigkeit auf Seiten der Mitarbeiter sein? Oder auf der Seite ihres Kollegen? Gibt es hier noch jemanden, der so naiv ist, zu glauben, dass sie von der moralischen Frage mehr beeinflusst werden als von der Konzernzugehörigheit? Hierzulande sagt man: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Ist das das Zeichen einer anderen perversen Moral oder nur das Zeichen der tiefen Verarmung unserer Seele?

Auf der Suche nach einem moralischen Vorbild, stieβ ein groβer deutscher Philosoph auf einen lateinischen Autor, genannt Juvenal, der in den Satiren schreibt: «Bedenke, dass es die gröβte aller Sünden ist, das Leben über die Ehre zustellen und somit im Namen des Lebens alles das zu verlieren, was das Leben lebenswert macht, summum crede nefas animam praeferre pudori et propter vitam vivendi perdere causas » (VIII, 79-84).

Immanuel Kant benutzt das als Modell für seine moralische Philosophie. Andererseits wurden die Menschen in den letzten zwei Jahrhunderten der wirtschaftlichen Manipulation davon überzeugt, dass moralisches Denken zu persönlichem Schaden führen kann! Mit dieser Mentalität wählen wir die Repräsentanten der Wirtschaft und der Demokratie; und darin liegt deutlich eine Gefahr.


(von Sergio Caldarella, © Alle Rechte vorbehalten)